Wir reden vom vergangenen Sonnabend… Der Plan sah ganz anders aus. Ende Juli werde ich an der Tour de France Gickel-Tour teilnehmen. Das ist einfach klasse. Wir fahren mit einem ganzen Bus voller Rennradfahrerinnen und Rennradfahrer nach Paris, sehen uns Paris an und verfolgen die Ankunft der Tour de France hautnah. Danach fahren wir zusammen mit unseren Rennrädern in sechs Etappen nach Hause. Für mich erfüllt sich damit ein Traum.
Das sind dann täglich rund 150 Kilometer. Die schüttele ich nicht so einfach aus dem Ärmel. Dafür muss ich trainieren, damit ich bei der Tour nicht Stammgast im Besenwagen werde. Sonnabend wollte ich also mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Eine 150 Kilometer-Tour durchs Weserbergland sollte es sein. Es war alles vorbereitet, danach hier am Schierholzberg noch einige Videoaufnahmen zu machen, einen Videobeitrag für unsere Seite von meinem Training und der geplanten Tour zu erstellen. Zu dem Videobeitrag ist es, wie ihr seht, nicht gekommen. Ich war nach dem Training einfach nicht mehr in der Lage dazu. Da lag ein sabbernder aber glücklicher Andre mit viel Nahrung auf dem Sofa, um seine Kräfte wieder zu erlangen.
Zunächst bin ich von Aerzen über den Gellerser Pass nach Amelgatzen gefahren. Da ging es mir noch gut. Dann habe ich den Anstieg nach Lichtenhagen in Angriff genommen, um dann von dort sieben Kilometer flott aber gemütlich bei strahlendem Sonnenschein nach Hehlen hinunter zu rollen. Von Hehlen aus ging es über Brökeln hinauf nach Hohe, von dort durchs Ernestinental rauf nach Ottenstein, runter nach Brevörde und noch einmal hinauf nach Ottenstein, hinunter nach Pegestorf, an der Weser nach Bodenwerder, über die Brücke und auf der anderen Seite in fettem Gegenwind nach Rühle. Mit dem Gegenwind und den da schon über 1000 Höhenmetern im Rucksack, war ich das erste Mal richtig platt. Mein Bruder Sebastian kann das bestätigen, hat er mich doch just hier mit dem Auto überholt, als er auf dem Weg zum Kirschblütenfest war. Das hat er natürlich auf einem Foto festgehalten (bin der kleine Punkt am Straßenrand). Statt mich einzusammeln, ist er dann davon gebraust.
Auf dem Weg nach Rühle habe ich mich ordentlich mit isotonischen Getränken und Riegeln verpflegt. In Rühle ging es mir wieder gut. Nachdem ich Oma und Opa auf dem Friedhof besucht habe und dort meine Wasserflaschen aufgefüllt hatte, ging es die Rühler Schweiz hinauf und von dort runter nach Golmbach, dann nach Bevern, von dort nach Holzminden und dann am Weserradweg endlich mit Rückenwind weiter.
Weil das so prima war, mein Garmin jetzt endlich dauerhaft deutlich mehr als 30kmh anzeigte, passierte ich Emmerthal, hatte nun die Möglichkeit schnell die zehn Kilometer nach Hause zu bewältigen, aber dafür ging es mir natürlich zu gut. Dann hätte ich ja auch „nur“ 130 Kilometer auf der Uhr gehabt. Mein innerer Tour-de-France-Fahrer wollte mehr. Ich habe ihm nachgegeben und habe noch einen Abstecher nach Hameln eingebaut. Weil es mir dort auch noch viel zu gut ging, musste noch ein Anstieg her. Was konnte da besser sein als der Hamelner Hausberg? Nichts! Also bin ich noch schnell den Klüth hochgeknallt. Runter ging es dann wieder ganz gut. Da waren es ja auch nur noch zehn Kilometer rauf nach Aerzen, rauf nach Hause.
Die taten dann auch richtig weh. Da musste ich lachen und an den Spruch „von nichts kommt nichts“ denken. Statt noch ein Video zu drehen, bin ich völlig zerstört vom Rad gefallen, zum Kühlschrank geschlichen und mit mächtig Proviant aufs Sofa gestürzt. Ich hatte über 6000kcal wieder aufzufüllen. Das hat mir, könnt ihr glauben, richtig Spaß gemacht.
Wieder durfte ich mein persönliches Wunder erleben. Ich bin zwar nach solch einer Tour echt matschig. Tatsächlich zeigt meine Multiple Sklerose nach solch einer Belastung aber kaum Symptome. Sogar die, die ich immer habe, verschwinden für gut einen Tag. Da habe ich ja nicht so viel von, ruhe mich ja dann aus, aber es ist schon saugeil, zum Beispiel seine Hände wie früher zu spüren.